DER STANDARD
Dienstag, 6. Oktober 1998, Seite 12
Bildung & Wissenschaft 

Reise nach gestern: Wiener Physiker ersinnen "Wurmloch"-Zeitmaschine


Jürgen Langenbach


Wien - "In die Zukunft kann man leicht reisen, wenigstens im Prinzip, das zeigt schon die Relativitätstheorie", erklärt Peter Aichelburg (Theoretische Physik, Uni Wien) dem STANDARD, "etwas anderes ist es mit der Reise in die eigene Vergangenheit: Das würde bedeuten, daß man sich selbst trifft, und sollte als Kausalitätsverletzung in Einsteins Theorie nicht vorkommen. Aber vielleicht ginge es doch, wenn man ,Wurmlöcher' in Zeitmaschinen umbaut."

Nach vorne: einfach

Auch die Reise in die Zukunft ist nur dann "leicht" vorstellbar, wenn man die Vorstellung einer absoluten Zeit aufgibt: "Der Grundgedanke bei Einstein ist, daß jeder Gegenstand seine Eigenzeit hat, auch wir beide, wenn wir uns trennen, aber da sind die Unterschiede unmerklich gering", erklärt Aichelburg, "sie zeigen sich erst, wenn die Relativgeschwindigkeit sehr hoch ist: Wenn etwa, im ,Zwillings-Paradoxon', ein Zwilling auf der Erde ist und der zweite sehr rasch mit einer Rakete wegfliegt, wäre der zweite bei seiner Rückkehr weniger gealtert als der Hiergebliebene und würde damit in die Zukunft zurückkehren."

Zurück: Vatermord

In die Zukunft seiner Umgebung, nicht in die eigene, er ist während der Reise auch gealtert. Zeitreisen in Gegenrichtung hingegen würden in die eigene Vergangenheit führen und in die Tücken des "Vatermord-Paradoxons" - man könnte den eigenen Vater ermorden, bevor man von ihm gezeugt ist -, das zum Problem der zeitlichen Abfolge das der logischen Verknüpfung bringt, die Kausalität.

Einstein war beunruhigt, daß seine Theorie der Gravitation - derzufolge die Raumzeit durch massive Körper beeinflußbar ist, "gebogen" werden kann - doch Zeitschleifen ermöglichen könnte. Und bis heute werden sie immer wieder in eben den geometrischen Veränderungen gesucht, die die Gravitation bringt: Sie könnte Abkürzungen durch das Universum legen, "Wurmlöcher", wie sie quer durch einen Apfel führen statt außen herum. Und wenn man die Ende der Wurmlöcher dann auch noch gegeneinander bewege, könne man - wie im Zwillings-Paradoxon - Zeit gewinnen.

Bisher ließen sich solche "Wurmlöcher" nur konstruieren, wenn man dafür Materie mit anderen als den bekannten Eigenschaften unterstellt, "exotische Materie". Nun haben Aichelburg und sein Mitarbeiter Friedrich Schein eine Lösung errechnet, die ohne "exotische Materie" auskommt, allerdings beim Durchreisen zusammenbruchsgefährdet ist.

(Details erklärt Aichelburg am Dienstag im Institut für Experimentalphysik, 1090 Wien, Strudlhofg. 4, 17.15 Uhr.)


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